16.10.20 – Türchen 22: Mit Chemie gegen Corona — read English version

CHT fertigt und vertreibt Lösung für die antivirale Funktionalisierung von Textilien

Imprägnierte Textilien mit der von CHT gefertigten und vertriebenen Lösung deaktivieren auf der Oberfläche haftende Viren in wenigen Minuten.

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Eine neue Imprägnierungslösung erlaubt es jetzt, Textilien mit einem hochwirksamen Schutz vor Viren und Bakterien auszurüsten. Dafür wurde die etablierte Silbertechnologie mit der Vesikeltechnologie kombiniert, die behüllte Viren nachweislich innerhalb weniger Minuten deaktiviert. © sutichak/stock.adobe.com

 
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Der Schutz übersteht je nach Faserart und Waschverfahren 10 bis 30 Waschgänge. © CHT Gruppe

 

Die chemische Industrie ist unverzichtbar im Kampf gegen Corona. Denn sie liefert wichtige Grundstoffe für die Herstellung von Desinfektionsmitteln und Schutzausrüstungen. Eine neue Imprägnierungslösung erlaubt es jetzt, Textilien mit einem hochwirksamen Schutz vor Viren und Bakterien auszurüsten. Dafür wurde die etablierte Silbertechnologie mit der Vesikeltechnologie kombiniert, die behüllte Viren nachweislich innerhalb weniger Minuten deaktiviert.

Vom Hemd über den Sofabezug bis hin zum Airbag – Textilien umgeben uns auf Schritt und Tritt. Doch erst durch den gezielten Einsatz von Chemie werden sie so pflegeleicht, hitzebeständig oder wasserabweisend, wie es Anwender heute gewohnt sind. Als Teilgebiet der Angewandten Chemie beschäftigt sich die Textilchemie deshalb nicht nur mit der Herstellung, Gewinnung und Verarbeitung von Textilfasern. Wichtige Schwerpunkte sind auch die Textilveredlung, die Entwicklung und Verwendung von Textilhilfsmitteln, Textilfarbstoffen, Textilpflegemitteln etc. sowie die Textilprüfung.

Robert Zyschka, Head of Application Field Finishing, CHT Germany GmbH, kennt als Textilingenieur sämtliche Technologien, die die Funktion von Textilien verbessern oder neue Funktionen integrieren. Angesichts der Corona-Pandemie begrüßt er, dass CHT seit einigen Monaten auch eine Lösung fertigt und vertreibt, mit der Textilien einen antiviralen und antibakteriellen Schutz erhalten. Denn Krankheitserreger, so Zyschka, „werden auch über Textilien übertragen und verteilt“.

Das Coronavirus (SARS-CoV-2) ist laut Journal of Hospital Infection (Ausgabe 104) bei Zimmertemperatur auf Textilien bis zu zwei Tage aktiv und damit gefährlich. Ein wesentlicher Baustein zur Eindämmung des SARS-CoV-2 und auch anderer pathogener Viren ist laut Zyschka daher, „Textilien herzustellen, deren Oberfläche in der Lage ist, das Wachstum von Bakterien zu hemmen und Viren zu inaktivieren“.

Die von CHT gefertigte Lösung wurde von der Forschungsabteilung der Schweizer HeiQGroup, ein Unternehmen, das wie CHT Lösungen für die Fertigung von Spezialtextilien bietet, entwickelt. Um die Textilien mit dem antiviralen und antibakteriellen Schutz auszurüsten, wird der sogenannte HeiQ Viroblock NPJ03 am Ende des Herstellungsprozesses von den Textilherstellern bzw. -veredlern über Nassveredlungsprozesse auf die Textilien appliziert. Anwendbar ist die antivirale und antibakterielle Beschichtung grundsätzlich auf allen Fasertypen und Vliesstoffen.

Der Schutz übersteht laut Zyschka je nach Faserart und Waschverfahren 10 bis 30 Waschgänge. Und könnte danach sogar wiederaufgefrischt werden, so jedenfalls die Vision von CHT, die derzeit gemeinsam mit einer Großwäscherei für medizinische Textilien an einer entsprechenden Lösung arbeiten. Deshalb eignet sich die Lösung nicht nur für medizinische oder kosmetische Einweg-Textilien, sondern für eine sehr breite Anwendung.

Doppelter Schutz

Die antivirale und antibakterielle Leistungsfähigkeit des Produkts speist sich aus zwei Technologien. Die bereits seit Jahrzehnten bekannte Silbertechnologie bekämpft dabei sowohl Viren als auch Bakterien. Dabei reagieren die auf die Textilien aufgebrachten Silberionen u. a. mit Schwefelgruppen, die in vielen Proteinen der Bakterienzellen enthalten sind und stören so den Stoffwechsel und die Zellteilung dieser.

Doch Silber entfaltet auch eine Wirkung gegen Viren, die streng genommen keine Lebewesen sondern „nur“ infektiöse Substanzen sind. Um zu überleben und sich zu reproduzieren, müssen sie in Wirtszellen von Pflanzen, Tieren oder Menschen eindringen. Hier können sie dann beim Menschen beispielsweise so gefährliche Krankheiten wie Grippe, Windpocken, HIV oder eben auch Covid-19 auslösen. Das Eindringen in eine Wirtszelle gelingt dabei Viren mit einer Lipidhülle besser als den unbehüllten Viren. Denn dank der Hülle können sie die Immunabwehr eines Wirts leichter unterlaufen und sich besser anpassen. Ein evolutionärer Vorteil, der dazu geführt hat, dass mittlerweile sämtliche neu auftretende pathogene Viren wie SARS-CoV-2 oder der Ebolavirus behüllt sind.

Die positiv geladenen Silberionen ziehen die entgegengesetzt geladenen Virenpartikel wie ein Magnet an und binden sie unlösbar über die Bildung von Silbersulfid. Dadurch wird das Virus nicht nur immobilisiert – durch die Bindung an die Schwefelgruppen wird es gleichzeitig auch deaktiviert. Ein Vorgang, der jedoch nicht blitzschnell abläuft und damit Infektionsketten nur bedingt unterbrechen kann. Doch durch die Kombination der altbewährten Silbertechnologie mit der patentierten Vesikeltechnologie „wird ein regelrechter Geschwindigkeitsschub bei der Inaktivierung der Viren erzielt“, so Zyschka.

Vesikel destabilisieren Virenhülle

Um die behüllten Viren innerhalb weniger Minuten zu zerstören, kommen sogenannte Vesikel zum Einsatz. Vesikel sind künstlich hergestellte, kleine bläschenartige Gebilde, die häufig auch als Liposome bezeichnet werden. Sie werden u. a. in der Kosmetik eingesetzt, um Substanzen in eine Zelle zu schleusen. Die verwendeten Vesikel bestehen aus einer Lipiddoppelschicht, die anders als die behüllten Viren kein Cholesterin enthalten. Damit entsteht in Bezug auf den Cholesteringehalt ein Konzentrationsgradient, der – wie immer in der Natur – nach einem sofortigen Ausgleich strebt. Das heißt, die Cholesterinmoleküle verlassen verstärkt die Virusmembran und diffundieren in die Vesikel. Dadurch verliert die Hülle der Viren ihre struktur- und festigkeitsgebenden Bausteine, sie wird brüchig und fällt letztlich in sich zusammen. Der Virus ist damit nicht mehr in der Lage, neue Wirtszellen zu infizieren.

  • Textilien, die mit der von CHT gefertigten und vertriebenen Lösung imprägniert wurden, deaktivieren bei richtiger Anwendung der daraus gefertigten Produkte, innerhalb von Minuten die auf der Oberfläche haftenden Viren.
  • Ein aktueller Prüfbericht nach ISO 18184 beziffert die antivirale Wirksamkeit des mit diesem Produkt behandelten Vliesstoffes mit 99,99 Prozent.

Hoher Schutz – keine Gefahren

Um die Übertragungs- und Infektionsraten nachhaltig zu verringern, sollten nach Ansicht von Zyschka unbedingt medizinische Textilien wie Kittel oder Hauben mit diesem Schutz imprägniert sein. Denn da in Pandemiezeiten Schutzausrüstungen aus Mangel häufig länger als vorgeschrieben getragen werden, kann die Verbreitung der Viren über die Kleidung damit gestoppt werden.

Doch um „Menschen umfassend vor dem Virus zu schützen und die Volkswirtschaften am Laufen zu halten“, sollten laut Zyschka auch Alltagskleidung oder Polsterstoffe in Bussen, Bahnen oder Flugzeugen mit dem Produkt behandelt werden. Gesundheits- oder Umweltschutzbedenken hat der Textilingenieur nicht: „Ich kenne keine Studie, die die seit Jahrzehnten eingesetzten Silberionen oder die in der Kosmetik verwendeten Vesikel problematisiert. Die Funktionalisierung von Textilien mit dieser Innovation ist deshalb ein unbedenklicher und effizienter Weg, mögliche Infektionsketten zu unterbrechen.“

Syra Thiel